Ein Blick zurück: Wie kam es zum Wehlheider Platz und zum Wehlheider Markt ?
Freitags kommt am Standort des größten Kasseler Wochenmarktes unter freiem Himmel gemütliche Dorfatmosphäre auf. Was viele aus den westlichen Stadtteilen nutzen und schätzen, ist erst wenige Jahre alt, und keineswegs ohne tatkräftiges Mittun vieler Wehlheider Bürgerinnen und Bürger entstanden.
Die Diskussion um den Einkaufsmarkt Wittrockstraße/Kirchweg und um die Schönfelder Strasse haben den alten Ortskern Wehlheidens in die aktuelle Diskussion über die Entwicklung des Stadtteils zurückgebracht. Die Wehlheider Bürgerinnen und Bürger wehren sich gegen eine kaltschnäuzige Politik des Magistrats, der Bürger den Wegzug aus dem Stadtteil empfiehlt, statt seine Politik zu prüfen und zu ändern. Deshalb wagen wir mal einen Blick zurück, um zu zeigen, das es auch anders geht, besonders dann, wenn sich Bürgerinnen und Bürger aktiv in das Geschehen einmischen. Die Geschichte des Wehlheider Platzes und seines Marktes zeigt: aktives Engagement lohnt sich. Der Rückblick zeigt: die Bürgerinnen und Bürger Wehlheidens können heute mit Recht sagen: Wehlheider Platz, Markt und die Qualität des verkehrsberuhigten anschließenden Wohngebiets sind Ergebnis unserer eigenen Mitwirkung zwischen 1975 und 1983.
Wo heute freitags der Wehlheider Markt ein kommunikativer Mittelpunkt des Lebens der westlichen Stadtteile ist, war in der Nachkriegszeit ein unwirtlich und trostlos gewordenes, unübersichtliches Straßengeflecht entstanden. Große Trümmerflächen boten billige Parkplätze. Eine wesentliche verkehrliche Bedeutung hatte dieser „Un“-Platz mit der Einstellung der Herkulesbahn verloren. Der zunehmende Autoverkehr erforderte eine Entlastung der Schönfelder Straße und des alten Wehlheider Ortskerns. Stadtplanung und Politik nahmen eine alte Straßenplanung auf und wollten eine schöne breite Autoschneise durch Wehlheiden schlagen.
Bald stand die Alternative Mensch oder Auto ? Sollte der Autoverkehr den Platz beherrschen, sollten die Fußgänger unter der Erde verschwinden, oder sollten Mensch und Auto gleichberechtigt den Platz nutzen können. Und so flatterte den Wehlheidern eines Tags ein Flugblatt in die Briefkästen:
"Der Arbeitskreis für Stadtteilfragen des SPD-Ortsvereins Wehlheiden beschäftigt sich intensiv mit der zukünftigen städteplanerischen Entwicklung Wehlheidens. Im Rahmen seiner Arbeit hat er auch das Problem der künftigen Gestaltung der Kreuzung Wilhelmshöher Allee – Kirchweg, des Bau der sogenannten Projektstraße (heute Wittrockstraße) und der Auswirkungen dieser Baumaßnahmen auf die betroffenen Bewohner des angrenzenden Wohnviertels aufgegriffen“. Er begrüßt, dass der Magistrat der Bevölkerung die Gelegenheit gibt, in der Stadtteilversammlung am 18.3.1975 um 20.00 Uhr im Wehlheider Hof eigene Vorstellungen in die Planung einzubringen, ehe es zu spät ist und alle Entscheidungen gefallen sind." Mit diesem Zitat aus der Sonderausgabe des vom SPD-Ortsverein Wehlheiden herausgegebenen "Wehlheider Bürgerinfo" vom Januar 1975 werden der heutige Wehlheider Platz und auch der Wehlheider Markt Gegenstand der öffentlichen Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger Wehlheidens.
Es gibt zu dieser Vorgeschichte eine Vor-Vorgeschichte. Die Planung eines überdimensionierten Verkehrsprojektes mit vierspuriger Projektstraße zwischen Wilhelmshöher Allee, Bus-Terminal und Fußgängertunnel in allen Laufrichtungen wurde 1973 in der städtischen Baukommission vom damaligen Wehlheider Stadtverordneten Horst Peter und dem Wehlheider Stadtrat Jakob Dingler gestoppt. Der neugewählte Baustadtrat Carsten Coordes machte sich die Einwände zu eigen. Damit leitete er eine bürgerfreundliche Stadtentwicklungspolitik des Dialogs mit den Bürgerinnen und Bürgern ein. Man reibt sich die Augen und sagt sich: welch wohltuende Alternative zum gegenwärtigen Stadtbaurat.
Der SPD-Arbeitskreis für Stadtteilfragen in Wehlheiden nahm das Angebot zum Dialog an. Es waren vor allem aktive Frauen aus Wehlheiden wie Irmtraud Peter, Lisa Vollmer und Brunhilde Schäfer, die forderten, die Auswirkungen von Verkehrsprojekten auf das Wohnumfeld zu hinterfragen und Planungen auch zu verändern. Negativ betroffen seien meist Frauen, Kinder und ältere Menschen, die überwiegend das Leben im Wohnumfeld tragen, während die Männer der Erwerbsarbeit nachgehen. Männer würden aber meist die Entscheidungen über Großprojekte treffen – so Irmtraud Peter in der Stadtteilversammlung im März 1975.
Im Wehlheider Bürgerinfo werden die Bürgerinnen und Bürger mit den Zwischenergebnissen der einjährigen Diskussionen vertraut gemacht und zur Diskussion und Mitarbeit aufgefordert.
"Die Projektstraße schafft die Voraussetzung, den Durchgangsverkehr aus der Friedensstraße und dem Kirchweg herauszunehmen. Die Umsteigemöglichkeiten für Bus und Bahn werden günstiger. Es entstehen sichere und bequeme Fußgängerüberwege. Ampelregelung – kein Tunnel. Im Bereich des in Ansätzen bereits vorhandenen Geschäftszentrums an der Wilhelmshöher Allee entsteht ein vom Fahrzeugverkehr ungestörter Platz, auf dem vielfältige Aktivitäten möglich werden. Besonders zur Mitarbeit bei der Gestaltung des Platzes werden die Bürgerinnen und Bürger aufgerufen".
Die Stadtteilversammlung vom 18.3.1975 war auch der Beginn des Kampfes für einen Markt auf dem Platz. Die Versammlung griff die Anregung des Stadtteilarbeitskreises zur Einrichtung eines Marktes auf und forderte die Einrichtung eines offizielles Marktes einschließlich einer Sondernutzungssatzung für den Wehlheider Platz.
Es bedurfte noch vieler harter Auseinandersetzungen mit der Stadtverwaltung. Und es bedurfte auch vieler öffentlicher Anstöße wie 1982 der Aktion "Wochenmarkt auf dem Wehlheider Platz" mit einer großen Unterschriftensammlung "Ich unterstütze das Vorhaben‚ Markt auf dem Wehlheider Platz’", bis im Juni 1983 das "Wehlheider Bürgerinfo" aufrufen konnte: "Geschäftsleute, die Interesse an der Beschickung eines Marktes für Obst, Gemüse, Blumen, Gewürze usw. haben, wenden sich bitte an Georg Holstein."
Der damalige Bürgermeister Hille: "Lasst uns den Markt genehmigen. Die Vollmer und der Sprafke sitzen immer auf meinem Sofa herum und machen mir die Hölle heiß".